Heraldik

Die Lehre von Wappen, Flaggen, usw. und ihrer Gestaltung.

 Meine nachfolgenden Ausführungen sind natürlich nur ein erster und ganz einfacher Einstieg in dieses umfangreiche Thema. Mir ist in den letzten Jahren jedoch aufgefallen, daß viele Liverollenspieler sehr viel Zeit und Liebe auf die Gestaltung ihrer Wappen und den mit diesen verzierten Dingen verwenden. Leider sind die Entwürfe oft heraldisch ausgesprochen bedenklich. Mit dieser Seite möchte ich eine Hilfestellung zum "richtigen"  Entwurf geben. Bei Bedarf will ich auch gerne versuchen, weiterführende Fragen zu beantworten.

 Die Informationen und z.T. auch einige Abbildungen sind den ganz am Schluß dieser Seite genannten Büchern entnommen, die ich auch gleichzeitig zum vertiefenden Einstieg ins Thema empfehlen möchte. 

 

Was ist ein Wappen?

Schon in einer Zeit, die man als "vorheraldisch" bezeichnet, gab es auf den Schilden der Krieger Abbildungen und Muster. Diese waren beispielsweise Darstellungen verehrter Gottheiten, Symbole der militärischen Einheit (Römer) oder Ornamente, die sich durch die Beschläge der Schilde ergaben.

Erst im Laufe des Mittelalters, als die schwerer gepanzerten Krieger durch die Ähnlichkeit der Rüstungen immer schwerer zu unterscheiden waren, ergab sich die Notwendigkeit, unverwechselbare Unterscheidungs- merkmale zu schaffen. Zuerst waren die Wappenbilder auf den Schilden einfach und gehörten dem Träger, der dieses Wappen frei wählte. Bald wurde es jedoch notwendig, für eine Ordnung zu sorgen, um Dopplungen zu verhindern. Auch wurde es üblich, daß Mitglieder der gleichen Familie dasselbe Wappen führten und das es auch erblich wurde (ca um 1200).

Um für eine Ordnung zu sorgen, entstand der Beruf des Herolds, der als Fachmann mit allen Wappen und ihrer Gestaltung vertraut sein mußte. Bemerkenswert ist, daß man für diesen hoch angesehenen Beruf nicht von adeliger Geburt sein mußte!

 

Wer führt(e) ein Wappen?

Von ihrer Abstammung aus dem militärischen Gebrauch ausgehend waren natürlich Krieger die ersten Wappenträger. Mit der wachsenden Macht der Kaufleute, Handwerkergilden und Städte finden sich Wappen und wappenähnliche Siegelbilder aber auch schon bald in der bürgerlichen Welt (ab ca. 1300). 

Alte Familienwappen

In einer Zeit, als nur wenige Menschen lesen und schreiben konnten, waren Siegel unter Dokumenten gleichbedeutend mit einer Unterschrift von heute. Dazu mußten sie natürlich ebenso unverwechselbar sein, wie die Ritter in einer Schlacht. Heute sind solche Siegelabdrücke eine wertvolle Quelle bei der Suche nach alten Familienwappen. Leider geben sie keine Hinweise auf die farbliche Gestaltung.

Findet man ein altes Wappen/ein Siegel, das zur eigenen Familie paßt, dann darf es nur dann angenommen werden, wenn einwandfrei durch Ahnenforschung nachgewiesen werden kann, daß man in ununterbrochener männlicher Blutlinie vom siegel- / wappenführenden Ahnherrn abstammt und kein anderer Zweig der Familie dieses Wappen führt.

Siegelabdruck und moderne Neuzeichnung des gleichen Wappens, die Farben müssen durch Forschungen festgestellt werden. Ist eine Feststellung der ursprünglichen Farben nicht möglich, müssen neue gewählt werden. Dabei ist natürlich zunächst in Wappenrollen zu prüfen, ob ein Wappen gleichen Bildinhaltes schon eingetragen ist. Ggf. muß dann natürlich eine schon registrierte Farbkombination respektiert werden.

  

 

Woraus besteht ein Wappen?

Grundsätzlich besteht ein sogenanntes "Vollwappen" aus dem Wappenschild, dem Helm mit der Helmdecke und der Helmzier mit einer Helmfigur (auch "Kleinod" genannt). Diese Zusammenstellung lehnt sich an die Art an, wie diese Gegenstände zwischen den Kämpfen / Turnieren an der Wand von Burgen aufbewahrt wurden.

Zusätzlich können noch Schildhalter, Orden, Spruchbänder und weiteres schmückendes Beiwerk hinzukommen.

 

Wie wird ein Wappen gestaltet?
  • Die Symbolik

Besitzt man kein altes Wappen, so kommt man dazu, ein neues zu entwerfen. Für die Symbolik ergeben sich verschiedene Anhaltspunkte, die in der folgenden Reihenfolge zu überprüfen und als Anregung zu verwenden sind. 

Gleich, welches Symbol Verwendung findet, die Einfachheit der Darstellung ist im Sinne einer guten Erkennbarkeit wichtig. Bei größeren Gegenständen oder Gebäuden kann auch ein besonders charakteristisches Detail für die Gesamtheit stehen (z.B. ein einzelnes Rad für den ganzen Wagen, ein Wasserrad für eine Wassermühle, ein Schwert für einen ganzen Ritter, ...). Die Art der Darstellung hat sich im Laufe der Jahrhunderte künstlerisch verändert, die heraldische Beschreibung, auch "Blasonierung" genannt, bleibt aber stets gleich. So trifft auf alle unten dargestellten Wappen des Königreiches Böhmen die gleiche Blasonierung zu:

Ein weißer, bekrönter Löwe auf rotem Grund, ein goldener Helm (=Königswürde), Helmzier schwarze Flügel mit goldenen Herzen belegt.

Darstellungen des Wappens des Königreiches Böhmen im Wandel der Zeit:

         1330                    1340                   1380                         1483                                1555

 

1) Das "redende" Wappen

Dies ist wohl die schönste und logischste Form, ein Symbol zu finden. Geht der Familienname oder zumindest ein Bestandteil des Namens auf einen realen Gegenstand oder ein reales Lebewesen (z.B. Baum, Eichler, Lindemann, Schwert, Hase, Rehfeld ...), einen Beruf oder eine Tätigkeit (z.B. Schmied, Stellmacher, Schreiner, Plattner, ...) zurück, so bietet es sich an, dies im Schild abzubilden. Hier muß man natürlich besonders darauf achten, daß das Wappen nicht schon existiert. Dabei ist es völlig unerheblich, wie z.B. der "Baum" aussieht. Ein Löwe ist heraldisch genau wie der andere (vgl. Löwen im Wappen des Kgr. Böhmen), solange er nicht z.B. in einer anderen Farbe oder einer anderen Körperhaltung dargestellt ist (vgl. den böhmischen Löwe mit denen im Stadtwappen Flensburgs, weiter unten).  Auch kann eine Darstellung für mehrere Namen passend sein, die z.B. verschiedene eng verwandte Berufe oder Teilberufe repräsentieren.

Beispiele für redende Wappen:

Maurer,                         Bäcker,                       Schmied/Schmidt,      Wagenbauer/Stellmacher/Rademacher

 

2) Traditionen

Gibt der eigentliche Name für eine Umsetzung in ein Bild nicht viel her (z.B. Petersen, ...), so gilt den eventuell vorhandenen Familientraditionen der nächste Blick. Wird beispielsweise derselbe Beruf über Generationen ausgeübt oder ist zumindest sehr in der Familie verbreitet, so kann eine Symbolik gewählt werden, wie bei Namen aus der Rubrik der "redenden Wappen" Gleiches gilt für andere Traditionen, die sich bildlich darstellen lassen (z.B. Besonderheiten des Lebensumfeldes, wie der Besitz einer Mühle, eines Turmes, eines Hauses auf einer Hallig, eine besondere Landmarke, ...).

Lebt eine Familie schon lange an/in einem Ort, kann auch durchaus das entsprechende Orts- oder Gemeindewappen im Familienwappen mit benutzt werden. Es muß dann aber so abgewandelt werden, daß eine Verwechselung ausgeschlossen ist (z.B. geänderte Farben und/oder Einbindung eines weiteren "Familiensymbols")

 

3) Ereignisse

Diese Form der Symbolfindung kann durchaus gewählt werden, wenn z.B. in der Familiengeschichte ein herausragendes Ereignis überliefert ist. Bei der Verleihung von Wappen im Mittelalter kam diese Form verhältnismäßig oft vor. Nicht selten wurden ja nichtadlige Krieger nach einer Schlacht von ihrem Fürsten oder König für besondere Leistungen in den Ritterstand erhoben und bei der gleichzeitigen Verleihung des Wappens konnte auf die Leistung Bezug genommen werden. (fiktive Situation: Ein Bogenschütze entscheidet die Schlacht dadurch, daß er den feindlichen König trifft. In seinem Wappen könnte nun beispielsweise ein gespannter Bogen dargestellt sein oder auch ein Königskopf, der von einem Pfeil durchbohrt ist.)

 

4) Hobbies, Interessen, sonstiges

Ist man in den ersten Rubriken nicht fündig geworden, so können Hobbies, Interessen oder auch nur Vorlieben Anregung für die Wappensymbolik geben. Dabei sollte man gut überlegen, ob man das Wappen nur für sich selber oder auch für nachfolgende Generationen gestaltet.

 

  • Die Proportionen

Die Darstellung eines Vollwappens hat sich im Laufe der Jahrhunderte in den Proportionen verändert. Während in der Frühgotik (12./13. Jhdt) ein Größenverhältnis von "Schild zu Helm zu Helmzier" von "2 zu 1 zu 1" üblich war (etwa wie in der Abbildung oben mit der Rose im Schild) und die Helmdecke wenig größer als der Helm war, entstand über viele Zwischenstufen die für heute neu gestaltete Wappen übliche Proportion von "3 zu 2 zu 3". Die Helmdecke ist dabei zu einem recht großen und ornamentalen Element geworden.

Hier schematische  Entwürfe in diesem Verhältnis in frontaler und seitlicher Darstellung.

     

 

  • Die Schildteilung

Neben der Darstellung einfacher Gegenstände auf einem einfachen Schilduntergrund (z.B. die rote Rose auf einem silbernen Schild, s.o.) ist die geometrische Teilung der Schildfläche eine der ältesten Formen der Schildgestaltung.

Die Beschreibungen wie "links", "rechts", "linksgeschrägt" oder "rechtsgeschrägt" beziehen sich dabei immer auf die Sichtweise des Ritters, der den Schild trägt!

Zusätzlich zu den einfachen Teilungen im Bild oben gibt es auch noch die verbreitete Version einer Teilung durch einen "farbigen Streifen". Dieser wir je nach seiner Lage verschieden bezeichnet:

                Balken                     Schrägrechtsbalken             Schräglinksbalken                Heroldskreuz

        Andreaskreuz                           Sparren                                Pfahl

Mehr Versionen von Schildteilungen, insbesondere mit verschiedenen Kantenformen der Trennungslinien (z.B. Zick-Zack-Linie) findet man in der Fachliteratur (s.u.).

 

  • Die Farbgestaltung

Die heraldisch richtige farbliche Gestaltung von Wappen ist eine der einfachsten und schwierigsten Aufgaben zugleich. In der klassischen Farbheraldik gibt es nur 2 Metalle (Gold und Silber = gelb und weiß) und 4 Farben (rot, blau, grün und schwarz). Es sind jeweils die klaren, ungebrochenen Grundfarben gemeint. Bei einer Darstellung des Wappens in schwarz-weiß werden die oben gezeigten Schraffuren verwendet (bei alten Darstellungen findet man manchmal auch Buchstaben oder Symbole).

Dazu kommt "hautfaben" für menschliche Körperteile (Hände, Gesichter,...), vereinzelt "purpur" und ganz gelegentlich "natürliche Farbe" (z.B. braun für Holzteile oder rosa für einen Flamingo).

Grundregeln der heraldischen Farbgestaltung:

- Ein Wappen muß mindestens eine Farbe und ein Metall enthalten.

- Flächen mit Farbe und Metall müssen sich immer abwechseln.

Oberstes Ziel ist die möglichst gute Erkennbarkeit. Die Reihenfolge der Erkennbarkeit von Farbkombinationen, die die Heraldik festgelegt hat, wurden durch moderne Untersuchungen für die Gestaltung von Verkehrszeichen zu 100% bestätigt. Hier der Anfang der Rangfolge:

  1. schwarz auf gelb
  2. rot auf weiß
  3. grün auf weiß
  4. blau auf weiß
  5. weiß auf blau
  6. schwarz auf weiß
  7. gelb auf schwarz
  8. weiß auf rot
  9. weiß auf grün
  10. weiß auf schwarz
  11. rot auf gelb

Mehr als eine Farbe und ein Metall sollten nicht ohne Grund verwendet werden. Natürlich gibt es auch in der Heraldik Ausnahmen bei den Farben. Ist ein Schild in drei Farbflächen geteilt, die sich alle berühren, geht es nicht anders, als daß zwei Metalle bzw. zwei Farben direkt nebeneinander stehen. (Bsp. Rheinland-Pfalz, rot und schwarz) Solche Probleme entstehen gelegentlich, wenn zwei oder mehr Wappen zu einem einzigen verschmolzen werden. Im Falle Rheinland-Pfalz waren es die drei Wappen von Pfalz, Trier und Mainz. Auch wenn ein Schild oder eine Schildfigur z.B. "gestreift" sind, kommt es fast zwangsläufig zu Bereichen mit schlechtem Farbkontrast (Bsp: Hessen, blau auf rot) 

                 

       Rheinland-Pfalz                               Hessen                   

In einigen Fällen gibt es auch andere, beispielsweise geschichtliche Gründe für ein Abweichen von den heraldischen Farbregeln. So ist die Flagge der Bundesrepublik Deutschland mit der Folge "schwarz-rot-gold" heraldisch falsch gestaltet. Heraldisch korrekt wäre eine Folge "schwarz-gold-rot" wie in der Flagge Belgiens oder das "schwarz-weiß-rot" der deutschen Kaiserzeit.

 

Wahl der Farben

Kann man die Farben des Wappens völlig frei wählen, so ist von der natürlichen Grundfarbe des dargestellten Gegenstandes auszugehen. Diese (oder die heraldische Farbe, die der Originalfarbe am nächsten liegt) ist dann die logische Wahl, wie etwa "rot" für eine Rose (vgl. Ritter und Vollwappen, oben) oder Mauerwerk aus Ziegeln (Bsp. Stadtwappen Flensburg), "grün" für ein Pflanzenblatt (Linde, Eiche,...), "gold" für ein Getreidebündel oder die Sonne, "silber" für den Mond oder "blau" für ein Gewässer (Bsp. Stadtwappen Flensburg).

              Flensburg

Die Differenzierung von verschiedenen Zweigen einer Familie oder die reine Forderung nach Unterscheidbarkeit bei gleichem Symbol führen oft jedoch zu Abweichungen von der natürlichen Farbwahl.

 

  • Der Helm im Vollwappen

Über Helme ist eigentlich sehr viel zu sagen. Ich will mich hier auf das Wesentlichste beschränken. Der Helm hat sich vom konischen Halbhelm ("normannischer Helm") über den großen Topfhelm bis hin zu Stechhelmen und Turnierhelmen entwickelt.

Normalerweise werden Helme und Wappen in einer Weise dargestellt, die der Zeitepoche entsprechen, in der der das Wappen erstmals belegt ist. Bei neugestalteten Wappen ist es üblich, für bürgerliche Wappen einen Stechhelm (vgl. "Proportionen", Seitensicht) zu verwenden. Für adelige Wappen ist der Turnier- oder Spangenhelm (vgl. "Proportionen", Frontalsicht) üblich.

In Wappen werden königliche Helme meist golden, adelige Helme silbern und bürgerliche Helme in hellgrau oder hellblau (= stahlfarben) dargestellt.

  • Die Helmdecke

Die Helmdecke war ursprünglich ein Schutz, der den Helm und somit den Kopf der Trägers vor Sonneneinstrahlung schützen sollte. So sind die ersten Helmdecken kaum größer als der Helm. Im Laufe der zeit wurde die Helmdecke größer und schützte auch weitere Bereiche der Rüstung. In der Heraldik wurde sie bald zu einem wichtigen dekorativen Element. (vgl. die Helmdecken bei der Wappenentwicklung des Königreiches Böhmen)

Die farbliche Gestaltung der Helmdecke folgt einem ganz einfachen Grundsatz: die Farbe und das Metall, die am meisten im Wappen vorkommen geben die Farben der Helmdecke vor. Dabei ist immer die Farbe außen und das Metall innen. Kommen zwei Farben und/oder zwei Metalle gleichberechtigt im Wappen vor, so kann die Helmdecke links und rechts des Helmes verschieden gestaltet werden.

  • Die Helmzier

Aus ebenfalls kleinen Anfängen entwickelte sich die prächtige Helmzier. Ihre Blütezeit erlebten diese kunstvollen Aufbauten aus Stoff, Draht und Pappmaché zur Zeit der ritterlichen Turniere. Die Helmzier kann entweder in der einfachsten Form das Wappenbild wiederholen (vgl. "Rosenwappen") oder auch ein weiteres Symbol einführen (vgl. Kgr. Böhmen).

Die Helmzier sitzt direkt auf dem Helm/der Helmdecke auf. In einigen Fällen befindet sich zwischen Helmzier und Helm noch eine Helmwulst oder auch eine Krone.

Die Farbe der Helmzier orientiert sich oft an den Farben des Wappens, kann aber auch davon abweichen.

  • Gesamteindruck

Hier nun noch zum Abschluß ein Wappen, das allen Gestaltungsanforderungen gerecht wird.

 

 

Nun wünsche ich viel Vergnügen bei der Gestaltung eigener Wappen, Standarten und Flaggen.

 Dabei helfen auch folgende Bücher:

  • Das Große Buch der Wappenkunst, Walter Leonhard, Weltbild-Verlag, Augsburg 2003 (sehr ausführlich)
  • Heraldik, Milan Buben, Albatros-Verlag, Prag, 1987 (guter Einstieg)
  • Wappenkunde, Ottfried Neubecker, Orbis-Verlag, München, 2002
  • Heraldik aus 9 Jahrhunderten, Andreas Kalckhoff, PRO HERALDICA-Verlag für Deutsche Familienwappen und -chroniken, Stuttgart, 1988